„Untersuchung der Maßnahmen der Landesregierung zur Eindämmung und Bewältigung der Infektionskrankheit COVID-19 im Hinblick auf Fehler, Versäumnisse und Handlungsempfehlungen für die Zukunft“
Rede zum Antrag von BSW und CDU zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses: „Untersuchung der Maßnahmen der Landesregierung zur Eindämmung und Bewältigung der Infektionskrankheit COVID-19 im Hinblick auf Fehler, Versäumnisse und Handlungsempfehlungen für die Zukunft“
Und zum AfD-Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses: „Untersuchung, Aufklärung und Beurteilung der Thüringer Politik im Zusammenhang mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und der durch dieses verursachten Erkrankung COVID-19“
14.11.2024 - Drucksache 8/47 - Drucksache 8/53 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste am Livestream und hier im Saal, nachdem wir seit Wochen in den Medien über die Einsetzung eines Coronauntersuchungs-ausschusses diskutiert haben, liegen uns heute hier zwei Anträge vor. Ich finde, über allem sollte die Frage stehen: Was ist denn der Wille der Bürgerinnen und Bürger? Wir haben in der Sendung „FAKT IST“ – das ist jetzt knapp einen Monat her – am 21. Oktober recht deutlich gesehen, dass eben keine Selbstbeschäftigung der Politiker gewünscht ist, kein wildes Einschlagen auf die Entscheidungsträger, sondern eine zukunftsgerichtete und konstruktive Aufarbeitung. Was heißt das? Das heißt, dass es das Ziel sein muss, dass wir eine gute Gesundheitspolitik für alle Menschen machen, dass wir den Schutz der Gesundheit in den Mittelpunkt stellen und ernst nehmen. Mit diesem Ziel vor Augen bedeutet das, dass wir aus der Coronapandemie Erfahrungen wertschätzen und Lehren ziehen für die Zukunft. Wenn wir uns jetzt aber diesen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, liebe Kolleginnen und Kollegen vom BSW und von Teilen der CDU, anschauen, ist das insofern nicht erkennbar, da Sie auf neun Seiten ein politisches Schafott konstruieren, auf das Sie die aktuelle Landesregierung zerren wollen.
Sie untergliedern Ihren Antrag in vier übergeordnete Untersuchungsgegenstände, die Sie im weiteren Frageverlauf darstellen wollen, und nur einer dieser Untersuchungsgegenstände befasst sich mit den möglichen Folgen und Lehren aus der Pandemie für unser Gesundheitswesen und für weitere Krisenfälle, wie die Pandemie eben eine war. Dieser Abschnitt macht inhaltlich Sinn. Das heißt aber zum Vergleich, die weiteren drei übergeordneten Untersuchungsgegenstände und damit 43 ihrer Unterfragen widmen sich dem Handeln und der Be-wertung der aktuellen geschäftsführenden Landes-regierung im Rückblick, eben nicht in der Voraus-schau. Um ein paar Beispiele zu nennen: Ihnen geht es um die rechtlichen Grundlagen der Entscheidungen der Landesregierung, mögliche Fehler, darum, wie nach außen kommuniziert wurde, welche Daten den Entscheidungen zugrunde lagen, und die Rolle des Landtags. Das kann man natürlich alles machen, es ist aber zum Schluss eine politische Selbstbeschäftigung – mehr ist es nicht –, denn dem Ziel, nach vorn zu sehen, was Sie immer wieder betont haben, kommen wir damit keinen Schritt näher. Deshalb: Wie nähern wir uns diesem Ziel an? Indem wir die grundsätzliche Kritik an einem durchökonomisierten Gesundheitssystem wahrnehmen und hieraus Lehren ziehen, damit wir den Blick eben nicht stur zurückwerfen, um partei-politischen Interessen keine Showbühne zur Verfügung zu stellen. Denn wie können Sie auf diesen neun Seiten ernsthaft außen vor lassen, dass nicht das Wohlergehen der Menschen, sondern vor allem der Profit den Takt im Gesundheitswesen vorgegeben hat? Also, wenn das nicht eine der zentralen Lehren der Coronapandemie war, ja, was will man denn dann gelernt haben? Deswegen lassen Sie uns lieber darüber reden, wie wir diese Handlungs-empfehlung für die Zukunft ableiten können, um in Thüringen ein Gesundheitswesen zu schaffen, das zukunftsfest ist, das sicher ist und das auch in weiteren Krisenzeiten stabil agieren kann.
Die in Ihrem Antrag forcierte Selbstbeschäftigung verfehlt also deutlich den Kern einer zukunftsweisenden Aufarbeitung. Sie nehmen eben nicht diese Zusammenspiele, die ich versucht habe zu er-läutern, in den Mittelpunkt. Das ist eine vertane Chance. Aber keine Sorge, das können wir heilen, denn wir haben ja einen Vorschlag unter Tagesordnungspunkt 5 eingebracht, eine Enquetekommission eben mit den Lehren aus der Coronapandemie in Thüringen zu beauftragen, um genau diese Strukturen zu betrachten. Ich will einige Beispiele benennen, die angegangen werden müssten. Es geht um den stetigen Abbau von intensivmedizinischen Kapazitäten, es geht um die bundesweit immer noch viel zu lückenhafte Versorgung von Long-COVID-Erkrankten, also von all denjenigen, für die die Pandemie eben gar kein Rückblick ist, sondern bittere Gegenwart. Es geht um das jahrelang unter-finanzierte öffentliche Gesundheitswesen, an dem sich der Bund immer noch nicht – wie im Falle der Betriebskosten – zur Finanzierung der Kliniken angemessen beteiligt. Alles in allem kann man sa-gen, die Ideenlosigkeit, wie sie hier in Thüringen bei den anhaltenden Koalitionsverhandlungen, aus dem oberflächlichen Sondierungspapier der Brom-beere erkennbar wird, wird hier versucht durch ein Schuldtribunal ein Stück weit zu überdecken. Ich glaube nicht, dass das mittelfristig hilft.
(Beifall Die Linke)
An dieser Stelle sei angemerkt, dass es eben auch nicht nur die Kolleginnen und Kollegen vom BSW sind, sondern auch vier Abgeordnete der CDU, die diesen Antrag mittragen. Da kann man sich ja fragen, warum nur vier? Geht es denn nur darum, das Quorum zu erfüllen, oder erinnern sich die einen oder anderen fehlenden Unterzeichnerinnen und Unterzeichner an die eigenen Forderungen aus der letzten Legislaturperiode? Ich darf auf das öffentliche Protokoll der 132. Sitzung des Thüringer Landtags verweisen. In der letzten Legislatur hat der geschätzte Kollege Herr Thadäus König, jetziger Landtagspräsident, eine Enquetekommission gefordert. Ich darf ihn zitieren: „Ich will für meine Fraktion schon ankündigen, dass wir in der nächsten Legislaturperiode dafür sorgen werden, dass es eine Enquetekommission gibt zur umfassenden Aufarbeitung der Coronazeit mit allen Facetten, um einfach diese Lehren, die wichtig sind, für die Zukunft auch ziehen zu können.“ Ihre Worte, Herr König, die finde ich weiterhin sehr gut. Und wir freuen uns natürlich, wenn sich die CDU ihren eigenen Forderungen besinnt
(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Damals fanden Sie es nicht gut!)
und sich unserem Antrag unter TOP 5 anschließen mag. Vielleicht haben wir was gelernt, im Gegen-satz zu Ihnen. Das wäre doch mal was. Die Möglichkeit besteht selbstverständlich.
(Beifall Die Linke)
(Unruhe CDU)
Ich möchte auch noch mal benennen, wir haben gestern Abend bereits eine Debatte über das wissenschaftsferne Weltbild der AfD-Fraktion geführt, deswegen werde ich jetzt für Ihren UA-Antrag, der ein ziemlich deutlicher Versuch ist, wieder Fehlinformationen zu verbreiten und Gesundheitsschutz zu delegitimieren, nicht mehr allzu viel Zeit einräumen. Ich möchte aber ganz deutlich sagen: Wer in dieser Runde bei der Einbringung eines UA von Tätern und Opfern in diesem Kontext spricht, wer von einer sogenannten Impfung spricht, von einer Hygienediktatur und den Slogan „Nie wieder ist jetzt!“ in einem völlig anderen Kontext einfach nur miss-braucht als Begriff, der delegitimiert sich nicht nur selber, sondern der macht auch noch mal deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen der sogenannten Brombeere, wenn Sie wirklich vorhaben, mit dem, was da gerade vorgetragen wurde, eine Zusammenlegung Ihrer beiden UA in den Raum zu stellen – das soll ja jetzt, wenn ich das richtig verstehe, über den Umweg der Ausschussüberweisung vor-bereitet werden –, so muss man klar sagen: Ein solcher Schulterschluss wäre nicht nur skandalös, sondern wäre auch ein klarer Bruch Ihrer zentralen Wahlversprechen. Die SPD sollte dann ernsthaft überprüfen, ob eine ernstvolle, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit überhaupt möglich ist, wenn eine solche Zusammenführung und Gestaltung mit der AfD gewünscht wird.
Vielen Dank.
(Beifall Die Linke)

